Interview: „Einiges kann am Arbeitsplatz ausgeglichen werden“
KURIER: Woran mangelt es für behinderten Menschen im Business?
Michael Sicher: In puncto Gleichstellung fehlt sicher noch viel. Wir leben in einer leistungsorientierten Gesellschaft, haben im Hinterkopf, dass Menschen mit Behinderung nicht voll leistungsfähig sind.
Was raten Sie Führungskräften, die unsicher im Umgang mit behinderten Bewerbern behinderten sind?
Sie sollen sich ganz bewusst die Frage stellen, ob sie die Bewerbung wirklich gleich behandeln wie alle anderen. Ein Rollstuhlfahrer kann ein toller Programmierer sein, auch wenn er sich seine Ordner von der Assistentin reichen lassen muss. Das hat nichts mit Know-how zu tun. Bei der Bewerbung muss man sich genau anschauen: Inwieweit wirkt sich die Behinderung auf die Arbeit aus? Chefs und Personaler dürfen nicht vergessen, dass einiges ausgeglichen werden kann - mit technischen Hilfsmitteln am Arbeitsplatz oder persönlicher Assistenz.
Wie gehen Kollegen mit einer Behinderung richtig um?
Meist ist Unsicherheit da: Wo und wieweit soll ich unterstützen? Das ergibt sich im Laufe der Zeit. Man muss einfach darüber reden, nachfragen, wenn man unsicher ist. Und man muss dem behinderten Kollegen einfach die Kompetenz zusprechen.
Woher rühren diese Berührungsängste?
Die Problemallk liegt im Informationsmangel. Viele können sich nicht vorstellen, wie das Leben mit Behinderung ist. In meinen Seminaren probieren die Führungskräfte das Leben im Rollstuhl aus, fahren U-Bahn etc. Sie sind oft sehr überrascht. Sie merken, dass vieles länger dauert, aber auch, dass sie gar nicht so extrem angestarrt werden, wie sie es sich vorgestellt haben. Sie bekommen ein besseres Gefühl dafür, wann sie Hilfe anbieten sollen und wann nicht.