Topmanager lernten von Menschen im Rollstuhl

„CEOs on Wheels.“ Topmanager setzen sich in den Rollstuhl und sind Mentoren für behinderte Menschen.

VON NICOLE THURN

Turgut Acar ist 28 Jahre alt. Er ist motiviert, wissbegierig, will etwas leisten, spricht trotz türkischer Muttersprache perfektes Deutsch. Doch Turgut musste sieben Jahre lang suchen, um seinen ersten Job zu bekommen. Denn er sitzt im Rollstuhl, wegen einer Lähmung spricht er nicht so deutlich.

Seit Kurzem arbeitet er in der Personalabteilung von TNT Express mit. Aus einem Praktikum ein Mal pro Woche wurde ein Job. Möglich wurde dies durch „CEOs on Wheels“. Denn hier lernte Turgut seinen Mentor kennen – Erich Neuwirth, Human Resources Manager bei TNT.

Neuwirth war einer von elf Mentoren, die am Projekt von Unternehmensberater und Life Coach in Wien Michael Sicher teilgenommen haben. Darunter Top-Manager wie Bettina Glatz-Kremsner, Vorstandsdirektorin der Österreichischen Lotterien, Sigrid Oblak, Geschaftsführerin der Wien Holding, Ursula Simacek, Geschaftsführerin von Simacek Facility Management, Klaus Pekarek, Generaldirektor der Raiffeisen Versicherung und Rudolf Kemler, OIAG-Vorstand. Jeder bekam einen Mentee im Rollstuhl zugeteilt – man traf sich, die Mentees berieten die Unternehmen zur Barrierefreiheit. Zusätzlich absolvieren einige HR-Manager der teilnehmenden Unternehmen einen Workshop, um selbst den Alltag im Rollstuhl zu erleben – die Hürden, den zeitlichen Mehraufwand, die Blicke der Menschen. Petra Falchetto von Herold dazu: „Ich kann das nur jedem empfehlen.“

Dienstagabend lud Sicher mit den Lotterien zur Bilanz nach einem Jahr Mentoring. Gastgeberin und Mentorin Bettina Glatz-Kremsner war begeistert: „Anfangs hat man Berührungsängste, gebe ich zu. Aber der Austausch mit meiner Mentee war eine große Bereicherung für mich, den Rollstuhl sehe ich längst nicht mehr.“ Dank Mentee Astrid Lanscha werden Mensa und Eingang der Österreichischen Lotterien barrierefrei umgebaut.

Michael Sicher ist zufrieden, die Intention des Projekts ist erreicht: „Alle Teilnehmer berichten, dass gewisse im Kopf vorhandene Barrieren rasch verschwunden sind.“ Auch die begleitende WU-Studie bestätigte das. Noch wurde diese Bewusstseinsbildung in den Unternehmen zu wenig greifen. Sicher hat daher den Verein „High-Rollers“ gegründet: Weitere Projekte mit den CEOs sollen Arbeitsplätze für behinderte Menschen schaffen. Turgut hat das bereits erreicht: „Im Frühjahr werde ich zwei Tage pro Woche bei TNT arbeiten. Darüber bin ich sehr froh.“